In den letzten Jahren ist Kiel um eine Vielzahl an inhabergeführten Läden mit persönlicher Note gewachsen. Und dabei fällt auf, dass sich vor allem die Mädels trauen, ihren Traum von der Selbstständigkeit mit einem eigenen Laden zu leben. Fünf Kieler Gründerinnen haben mit meiner Kollegin Mona und mir über ihre Erfahrungen gesprochen und teilen ihre ganz persönlichen Tipps mit uns.
Ich finde es bemerkenswert, wenn sich junge Frauen in meinem Alter trauen, einen eigenen Laden zu eröffnen. Wenn sie ihrem Herzen folgen und aus ihrer Leidenschaft eine Berufung wird. Und, wenn sie dafür viele Risiken eingehen. Dazu gehört eine große Portion Mut. So kam meiner Kollegin Mona aus der KIELerleben-Redaktion und mir die Idee, inspirierende Gründerinnen aus Kiel mit unseren Fragen zu löchern.
Gründen Frauen anders?
Wir möchten wissen, welche Geschichten hinter den Konzepten stecken, wie lange die Inhaberinnen die Gedanken an das eigene Projekt mit sich herumgeschleppt haben und welche geheimen und weniger geheimen Tipps sie zur Gründung haben. Dazu hat Mona verschiedene Läden und Cafés in Kiel besucht, um dort mit den Besitzerinnen darüber zu sprechen, wie der Weg in die Selbstständigkeit verlief: Der Weg zum „Girlboss“ eben.
Josephin Töpsch, Inhaberin von edelmaedel
Lerne Nein zu sagen!
Seit knapp einem Jahr kommt man an einem Shop in der Holtenauer nicht mehr vorbei: Das edelmaedel. Hier hat sich Josephin Töpsch den Traum vom eigenen Laden erfüllt, von Mode über Schmuck im skandinavischen Stil bis hin zu ausgewählten (Wohn)-Accessoires bekommst du hier alles, was das Shopping-Herz höher schlagen lässt.
Josephin, im September 2018 hast du dich selbstständig gemacht. Wie blickst du auf das Jahr zurück?
Absolut positiv! Und vielleicht auch ein wenig schlauer. Angefangen hat alles damit, dass ich mir eine bestimmte Frage immer wieder gestellt habe: Was wäre, wenn ich morgen sterben würde? Nicht in einem dramatischen Sinn, sondern einfach in Hinblick auf diesen großen Wunsch, der schon lange in mir schlummerte. Dann war die Chance plötzlich da und ich wusste, ich muss es jetzt tun. Von einer auf die andere Sekunde ging alles ganz schnell und plötzlich war ich Ladenbesitzerin.
Inzwischen ist zum Glück deutlich mehr Routine eingekehrt. Das tut gut und ist wichtig, für mich und auch für den Laden. Eigentlich habe ich immer einen Plan, aber zu Beginn ist alles neu und aufregend, man fühlt sich wie in einem Rausch. Dann irgendwann kommt der Punkt, an dem du wieder mehr Zeit hast, weil alles richtig gut läuft. Dann weiß man: Jetzt passt es!
Welche Ängste oder Sorgen hattest du, als sich diese Chance plötzlich bot?
Ehrlich gesagt: Tatsächlich keine! Natürlich fragt man sich, wenn man zum Beispiel Kleidung für eine gewisse Summe einkauft, ob es den Kunden auch so gefällt wie mir und die Stücke gekauft werden. Aber ich konnte eigentlich immer gut schlafen. Man muss einfach an sich selbst und sein Konzept glauben. Ich denke, es gibt nichts, was wichtiger ist!
Welche Tipps würdest du anderen Gründerinnen weitergeben?
Lerne Nein zu sagen. Viele wollen dir vorschreiben, wie du etwas machen sollst, was du nicht machen sollst, wie du etwas anders machen kannst. Natürlich höre ich mir alles an aber es ist sehr wichtig, dass man klar filtert, was man hört. Verfolge deine eigene Vision, glaub daran und hole dir Leute an deine Seite, die dich verstehen, unterstützen und dich immer wieder daran erinnern, wer du bist und was du willst. Dann gelingt vieles einfacher!
Außerdem ist es wichtig, immer am Puls der Zeit zu bleiben, zuzuhören, zu hinterfragen und sich auf Neues einzulassen!
Stefanie Voigt, Inhaberin von Verborgene Schönheiten
Vom kalten Wasser über Neuanfänge zur Selbstverwirklichung.
Strahlend kommt Steffi die Treppe herunter und begrüßt mich. Hier unten in der Küterstraße, in der Kieler Innenstadt, befindet sich (noch) ihr Brautmodengeschäft. Bald schon werden sich Steffi und ihr Laden in märchenhafter Umgebung wiederfinden … Und zwar wortwörtlich: Denn von Wald umgeben, in einem alten Herrenhaus heißt es ab September: Herzlich Willkommen bei Verborgene Schönheiten.
Steffi, jetzt musst du unseren Lesern doch mal auf die Sprünge helfen: Was versteckt sich hinter „Verborgene Schönheiten“?
Ich habe mich vor über einem Jahr mit Träumewerk selbstständig gemacht. Meine Geschäftspartnerin und ich fanden den Namen damals sehr passend. Ich habe aber immer mehr gemerkt, dass ich einen anderen, eigenen Weg gehen möchte und habe mich nun dafür entschieden: Verborgene Schönheiten steht für all die innere und auch äußere Schönheit, die vielleicht nicht auf den ersten Blick sichtbar ist, aber die jede von uns im Herzen trägt.
Oft erlebe ich es, dass Bräute in ihrem Brautkleid vor dem Spiegel stehen und sich wunderschön finden: Dann sehen sie sich und ihre Schönheit ganz deutlich. Damit nicht nur der Name ein Neubeginn ist, ziehe ich im September um. In einem alten Herrenhaus in Quarnbek habe ich meine persönliche Wohlfühloase gefunden: ländlicher, dafür einfach zauberhaft. Hier fühlt man sich direkt wie eine Prinzessin!
Jetzt strahlst du, aber war der Neuanfang immer so sorgenfrei?
Nein, auf keinen Fall. Natürlich hatte ich Sorgen und Ängste, plötzlich stehst du alleine für alle deine Entscheidungen persönlich gerade. Die großen Bestellungen, die Arbeit, das Design, die Werbung: All das verwalte ich nun selbst. Aber ich wusste auch: Ich muss es versuchen. Wenn ein Gedanke immer wieder kommt und dich nicht loslässt, dann solltest du es versuchen. Am Ende kannst du im schlimmsten Fall scheitern – aber du hast es probiert und alles getan.
Ich denke immer an ein ganz einfaches Beispiel: Du willst seit Jahren ein Café in deiner Straße eröffnen, aber traust dich nicht. Die Jahre vergehen und irgendwann macht deine Nachbarin plötzlich ein Café genau dort auf: so wie du selbst es immer wolltest. Wie fühlst du dich wohl dann?
Was gibst du weiter an alle Mädels, die sich selbst verwirklichen möchten?
Mit einer gesunden Mischung aus Mut, Herz und Risikobereitschaft ist vieles möglich. Es ist wichtig, dass man Veränderung und Wachstum als Teil der Selbstverwirklichung akzeptiert, nur so kann man das Beste aus sich und seinem Projekt herausholen.
Außerdem sollte man sich nie reinreden lassen: Wenn du hinter deinen eigenen Gedanken, Ideen und Projekten stehst, dann ist es viel leichter, auch anderen diese Ideen zu vermitteln. Die Selbstständigkeit ist eine ständige Berg- und Talfahrt. Nur wenn man wirklich an sich glaubt und hart daran arbeitet, geht es auch immer wieder nach oben!
Carolin Boeck, Inhaberin von Café Mumpitz
Es sind die Dinge, die wir nicht getan haben, die wir später bereuen.
Ein kurzer Sprung ans Ostufer: Der alte Kiosk an der Ecke zur FH Kiel, mitten in Dietrichsdorf, ist jetzt das Café Mumpitz. Es fehlte hier einfach etwas Individuelles, fand Caro, die Inhaberin. Das gibt es jetzt und es ist Caros Geschenk an all jene, die sich bei einem gemütlichen Schnack und leckeren Kuchen zusammen finden wollen.
Caro, du warst erst 23 Jahre alt, als du das Café Mumpitz eröffnet hast. Wie kam es dazu?
Ich habe schon immer in der Gastronomie gearbeitet. Ich bin da irgendwie reingerutscht, es hat mir gefallen und ich blieb. Schnell habe ich erfahren, was es heißt, Verantwortung zu tragen und bei neuen Projekten merkte ich, wie schön es ist, an etwas mitzuwirken und selbst mitgestalten zu können. Das stärkte sicherlich meinen Wunsch, etwas Eigenes zu erschaffen.
Zunächst fing ich dann mein Studium an der FH Kiel an (Multimedia Production) und hatte dadurch auch einen Bezug zu Dietrichsdorf. Durch Mund-zu-Mund-Propaganda und die richtigen Leute, ergab sich irgendwann die Chance – meine Chance.
Der Prozess hinter der Entwicklung der eigenen Marke ist lang. Die Einrichtung, das Angebot, das Drum-Herum und natürlich auch die Sachen, die weniger Spaß machen, wie die Buchhaltung: All das musste erst langsam wachsen.
Hattest du denn gar keine Bedenken, so ganz ohne Erfahrung?
Natürlich! Jede Menge sogar. Eigene Projekte erfordern, dass man sich ständig mit sich selbst auseinandersetzt, das kann schon mal hart werden. Wenn es richtige Herzensprojekte sind, stößt du immer wieder an die eigenen Grenzen, musst deine Komfortzone verlassen und gehst plötzlich doch noch ein Stück über dich hinaus. Immer, wenn man gerade denkt, es geht nicht mehr weiter, passiert etwas und die Dinge geraten wieder in einen Flow. Und die Sorgen und die Angst vorm Scheitern gehören dazu – sie bringen dich weiter!
Das klingt nach einem gesunden Bezug zu dir und deinen Wünschen. Hast du noch Tipps für alle, die selbst etwas erschaffen möchten?
Projekte beginnen. Einfach anfangen, sich trauen und keine Angst vor Veränderung und Wachstum haben. Ab und zu auch mal Zugeständnisse machen und neue Denkansätze ausprobieren. So kommt man immer wieder voran. Und noch etwas: Scheitern ist nichts Negatives. Es bedeutet auch, dass man aus Erfahrungen gelernt hat und nun ein wenig schlauer ist als zuvor.
Außerdem ist es wichtig, sich selbst treu zu bleiben. Das ist viel wichtiger, als die Sorge darüber, was die anderen denken könnten. Wenn wir immer nur danach leben, macht uns das verrückt. Denn der Glaube an sich selbst und die eigenen Fähigkeiten ist unglaublich wichtig. Auch, wenn dieser Weg manchmal mühsam ist und man nie genau weiß, wo die Reise hingeht – aber so ist das Leben: unbeständig, dafür voller Erfahrungen und Möglichkeiten.
Kathrin Rosche, Inhaberin von meerfach
Man muss auch mal unangenehme Entscheidungen treffen.
Auf der Suche nach hübschen Kleinigkeiten, handgemachtem Schmuck, selbstgenähten Kuscheltierchen für die Kleinen oder anderen herzerwärmenden Dingen, landet man in Kiel gerne mal bei meerfach. Der Laden am Schülperbaum ist das Baby von Inhaberin Kathrin und entstand aus einer Umorientierung.
Wie lange bist du schon selbstständig, Kahtrin?
Selbstständig bin ich schon seit sieben Jahren, kaum zu glauben … Ich konnte während meiner nebenberuflichen Selbstständigkeit im Direktvertrieb in zwei großen Unternehmen ordentlich Erfahrung sammeln. Das kommt mir mit meinem Laden meerfach sicher auch zu Gute.
Ich habe drei Kinder und habe mich irgendwann dazu entschlossen, dass mein Job mit meinen Kids vereinbar sein muss. Kreativ war ich schon immer, habe Sachen selbst genäht. Die Umorientierung kam dann plötzlich, als sich die Chance dazu ergab und ich in einen Fachmieterladen einsteigen konnte. Heute habe ich meinen eigenen Laden: meerfach wurde im April schon ein Jahr alt! Manches kommt einfach zu dir, dann musst du zugreifen – umgekehrt darf man Dinge aber auch nicht erzwingen.
Gab es Ängste, die dich zu Beginn geplagt haben?
Natürlich! Ich hatte fast täglich Ängste auszustehen, ich fragte mich selbst, ob ich des Wahnsinns sei! Aber irgendwie dachte ich mir, das wird schon, irgendwie. Man muss nur fokussiert bleiben und vor allem: daran glauben. All das gemischt mit einer gesunden Portion Respekt ergibt ein gutes Konzept, welches man dann umsetzen muss. Mit Mut, Offenheit und Freude schafft man es dann!
Stell dir vor, jemand kommt zu dir und fragt dich nach deinem Rat: Welchen Tipp würdest du anderen Gründerinnen geben?
Man muss sich selbst treu bleiben. Das ist essentiell. Das bedeutet aber auch, dass man ab und zu unangenehme Entscheidungen treffen muss, zu einem Leben als Selbstständige gehört das einfach dazu. Außerdem muss man manche Ideen einfach umsetzen, um zu sehen, ob sie dann auch funktionieren, anders findet man es nie heraus. Macht doch einfach mal! Denn der blödeste Satz auf der Welt ist „Ja, aber…“. Veränderungen sind gut und wenn man sie nicht ausprobiert, weiß man nicht, was alles möglich ist!
Susanne Herlt, Inhaberin von LOOK!
Die richtige Lage ist das A und O.
Im kleinen Hinterzimmer des Schuhladens in der Holtenauer Straße haben wir es uns gemütlich gemacht. Es gibt Kaffee und Pastel di Natas. Susanne Herlt gehört zu den alten Hasen im Kieler Business. Ihre Schuhboutique „Look!“ erfüllt Frauen jeden (Schuh-) Wunsch und zeigt sich dabei herrlich individuell und lässig. Und das schon seit bald 15 Jahren. Zeit, um nachzufragen, was Susanne jungen Gründerinnen rät!
Selbsständigkeit, der Traum von vielen. Du hast ihn verwirklicht. Wie kam es dazu?
Ursprünglich komme ich aus dem medizinischen Bereich. Irgendwann habe ich gemerkt, dass ich mit meinem Job nicht mehr glücklich bin, das hat sich auch körperlich bemerkbar gemacht: Ich litt häufig unter Kopfschmerzen.
2005 habe ich mich dazu entschlossen, zu kündigen – ganz ohne weiteren Plan! Ich musste erst mal rauskommen und mich sortieren. Eine Freundin eröffnete Anfang der 1990iger Jahre in Hamburg eine Schuhboutique, die sehr gut lief. Dort hospitierte ich und merkte, dass Mode, Schuhe, Verkauf und Beratung voll mein Ding sind. Sie wollte expandieren, so kam eines zum anderen. 2005 war das Jahr, in dem die Holtenauer zu dem wurde, was sie heute ist und auch Look! öffnete im August 2005 seine Türen. Es ging alles ganz schnell: Businessplan schreiben, Vorstellungen umsetzen, die ersten großen Schuhmessen … Von Anfang an war der Laden mein Baby!
Hattest du denn gar keine Bedenken?
Doch, natürlich! Aber das Wichtigste ist: Man muss brennen. Wenn man für seine Sache nicht brennt, dann kann man es vergessen! Und weil ich merkte, dass mich der Laden sowieso schon verzaubert hatte, wusste ich auch, dass ich ganz und gar hinter dem Konzept stehen werde. Ängste und Sorgen begleiten dich während der Selbstständigkeit immer, du musst einfach immer wieder zu dir zurück finden und wissen, wieso du etwas tust.
Deine besten Tipps zum Thema Selbstständigkeit?
Kontraktfreudig und offen zu sein, das sind die besten Eigenschaften, um einen Laden zu eröffnen. Und man sollte keine Angst haben vor den großen Dingen. Ich wusste nicht, wie hoch die Abgaben sein können, wenn man selbstständig ist. Das haut einen erst mal um. Aber davon darf man sich nicht verunsichern lassen.
Im Einzelhandel ist die Lage außerdem das A und O. Denn die Laufkundschaft ist ein wichtiger Teil – wenn die Ladenlage nicht passt, hat man es oft schwer, auch wenn man noch so ein tolles Projekt startet!
Alle Tipps von Kieler Gründerinnen auf einen Blick
- Ergreife Chancen, wenn sie sich bieten.
- Glaube an dich und bleibe fokussiert.
- Lerne Nein zu sagen!
- Hole dir Menschen an deine Seite, die dich unterstützen.
- Lasse dich auf Neues ein.
- Sei mutig!
- Akzeptiere auch Rückschläge und wachse daran.
- Arbeite hart an dir und deinen Projekten.
- Gib den Dingen Zeit, sich zu entwickeln.
- Stoße an deine Grenzen und verlasse auch mal deine Komfortzone.
- Bleibe dir selbst treu.
- Du musst auch mal unangenehme Entscheidungen treffen.
- Finde immer wieder zu deiner Vision zurück.
- Bleibe offen und kontaktfreudig!
Hast du auch schon einmal mit dem Gedanken gespielt, dich selbstständig zu machen?
Was hält dich bisher davon ab?
Ich habe tatsächlich schon als Kind beschlossen, dass ich selbstständig sein möchte – und hab es gemacht. Als gebürtige Hamburgerin war es immer mein Wunsch in Schleswig-Holstein zu leben und hier freiberuflich mit Pferden zu arbeiten. Genau so ist es heute und es macht mich täglich glücklich ❤️