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Warum können die Kieler eigentlich nicht für das alljährliche Kieler-Woche-Plakat abstimmen? Warum kann nicht jeder einen Entwurf einreichen? Das habe nicht nur ich mich gefragt, sondern viele Kieler in den sozialen Medien nach Verkündung des diesjährigen Siegerplakats. Ich bin diesen und weiteren Fragen für euch auf den Grund gegangen.
Mit Spannung betrete ich den großen Ratssaal im Kieler Rathaus. Meine Blicke wandern über die elf Entwürfe des diesjährigen Designwettbewerbs des Kieler-Woche-Plakats. Es ist das erste Mal, dass ich diese betrachten darf, ohne zu wissen, welcher in wenigen Minuten als Sieger verkündet und unsere Kieler Woche 2018 begleiten wird. Ganz unbedarft schreite ich von Entwurf zu Entwurf.
Bei näherer Betrachtung fallen mir die zusätzlichen Produktdesigns von Krawatte über Autobeklebung bis zu Litfaßsäule und Flagge auf, die das jeweilige Plakatdesign widerspiegeln. Während mir einige Plakate sehr gefallen, empfinde ich die dazugehörigen Merchandise-Produkte als weniger gut gelungen. Oder andersherum. Puh, gar nicht so einfach ein Design zu finden, dass im Ganzen stimmig wirkt. Vor allem sind die Entwürfe alle so unterschiedlich und bilden eine große Bandbreite an Gestaltungsmöglichkeiten ab.
Mit jeder weiteren Runde revidiere ich meine ersten Eindrücke wieder. Tendiere am Ende jedoch zu dem Entwurf mit rotem Hintergrund, dem weißen „K“ aus Segeln und dem blauen „W“. Die Jury aus je vier Fach- und Sachjuroren nimmt an einem langen Tisch Platz und verkündet ihre Entscheidung. Mein Favorit erlangt nur den zweiten Platz.
Gewonnen hat das comicartige Plakat mit den roten Segeln zwischen blau-weißen Wellen, Wind und Wolken. Die Jury begründet ihre Wahl wie folgt: „Das Siegerplakat skizziert mit kräftigen schwarzen Linien das Zusammenspiel von Himmel, Meer und Booten. Der dynamische Wechsel blauer und weißer Flächen von Wind und Wellen wird mit roten Segeln rhythmisiert. Das Motiv hat nahezu lautmalerische Qualitäten, man glaubt das Tanzen der Wellen und den pfeifenden Wind zu hören.“ Außerdem würdigt die Jury die „äußerst schlüssig ausgearbeiteten Corporate-Design-Anwendungen“, die ebenfalls Lebensfreude und Energie transportierten.
Stadtpräsident Hans-Werner Tovar überbringt der Gewinnerin – einer Art-Direktorin aus Wien – die frohe Botschaft direkt am Telefon, die sich natürlich unglaublich freut. Nun darf ich auch ein Foto des Siegerplakats auf der KIELerleben-Facebookseite posten, und die 48.000 Fans haben sich in binnen von Sekunden eine Meinung dazu gebildet. Wenige positive Stimmen werden überschattet von Spott, Belustigung, Ärger und weiteren negativen Kommentaren. Das scheint schon fast ein Ritual zu sein, denn so oder so ähnlich läuft es jedes Jahr ab.
Der Designwettbewerb ist ein äußerst emotionales Thema. Beim Überfliegen der Kommentare springen mir einige Fragen immer wieder ins Auge. Ich habe vor Ort direkt die Gelegenheit genutzt, um Antworten darauf zu finden.
Warum können die Kieler nicht für ein Plakat abstimmen?
Viele Kieler fordern ein Mitspracherecht, wollen für ihren Favoriten abstimmen. Ich frage Philipp Dornberger, neuer Leiter des Referats Kieler Woche, warum das nicht möglich ist: „Ich durfte in diesem Jahr das erste Mal den gesamten Prozess des Kieler-Woche-Plakats miterleben. Im Vorwege habe ich mir genau die gleichen Fragen, wie viele Kielerinnen und Kieler gestellt. Was mir zum Beispiel vorher nicht klar war, ist dass es sich um einen der weltbekanntesten Plakat-Wettbewerbe handelt. So einen Status erreichen sehr wenige Wettbewerbe. Daher müssen wir mit Veränderungen in diesem Bereich sensibel umgehen. Ich habe diese Fragestellungen auf der Kieler Woche 2017 mit den Designerinnen und Designer, sowie mit den Jurymitgliedern offen diskutiert. Zur nächsten Kieler-Woche werden wir die ersten vorsichtigen Änderungen anstreben. Was ich persönlich bei meiner ersten Jurysitzung festgestellt habe. Es ist sehr wichtig, dass man alle Plakate und Umsetzungsvorschläge in Ruhe auf sich wirken lässt, diese aus verschiedenen Blickwinkeln betrachtet und darüber offen diskutiert. Dies hat für mich etwas mit der Wertschätzung gegenüber dem Künstler oder der Künstlerin zu tun.“
Ich habe selbst erfahren, wie sich meine Meinung bei längerer Betrachtung und im Vergleich der verschiedenen Entwürfe immer wieder verändert hat. Wie würde es also sein, wenn jeder Kieler binnen Sekunden eine Entscheidung trifft? Ist das überhaupt möglich?
Warum darf nicht jeder einen Entwurf einreichen?
Kunststudenten, Kindergärten oder Schulen sollen auch ein Plakat entwerfen dürfen, fordern einige Kieler. Grundsätzlich ein wirklich schöner Gedanke! Hintergrund ist dabei vor allem die komplexe Umsetzung des Plakatentwurfs. Aus dem Kieler-Woche-Plakat entsteht in jedem Jahr eine neue Corporate Identity, die von der Gestaltung der klassischen Souvenirs, über die Beklebung von Fahrzeugen bis hin zu vielen Druckerzeugnissen in allen Größen und Formaten, also von der kleinen Briefverschlussmarke bis zur Litfaßsäulenbeklebung, reicht. Diese Arbeiten sind sehr umfangreich und hochkomplex.
Darüber hinaus besteht ein hoher Abstimmungsbedarf mit den vielen verschiedenen Produzenten. Aus diesen Gründen ist die Gestaltung durch professionelle Grafikbüros unerlässlich. Es hängt also viel mehr an dem Entwurf, als der eine oder andere vielleicht dachte.
Wer darf denn ein Plakat entwerfen?
Bewerben kann man sich nicht. Alljährlich wählt ein Gutachtergremium fünf Grafikdesignerinnen und -designer aus dem In- und Ausland aus, die von der Landeshauptstadt Kiel auf Beschluss des Hauptausschusses dann zur Teilnahme am Wettbewerb eingeladen werden. „Schon das ist eine Auszeichnung. Denn der Gestaltungswettbewerb genießt weltweit ein hohes Ansehen, zumal viele Motive mit nationalen und internationalen Preisen ausgezeichnet wurden“, sagt Jörg Franzen, Organisator des Wettbewerbs.
Alle Grafiker reisen sogar an die Förde, um sich während der laufenden Kieler Woche ganz individuelle Eindrücke vom größten Sommerfest im Norden und der weltgrößten Segelveranstaltung zu verschaffen, sowohl auf dem Wasser als auch auf dem Land. Anschließend haben sie drei Monate Zeit, ihre Inspirationen in ihren Entwürfen festzuhalten.
Wonach entscheidet die Jury?
Wie schon mehrfach gesagt, achtet die Jury auch auf die Stimmigkeit von Plakat und gestalterischer Umsetzung. „Es gibt Plakate, die wir auf Anhieb super finden. Aber wenn die zusätzlichen Produktdesigns nicht überzeugen, dann ist der Entwurf leider raus“, so Hauke Petersen, Vorsitzender des Kieler-Woche-Fördervereins. Bis auf den Kieler-Woche-Schriftzug, das Datum und einen weißen Rand für die Logos der Sponsoren gibt es übrigens keine Vorgaben bei der Gestaltung.
In diesem Jahr sei die Auswahl besonders vielseitig gewesen, was die Diskussionen innerhalb der Jury zusätzlich beflügelt habe. Dennoch wurde bereits im zweiten Wahlgang der Sieger eindeutig bestimmt. „Die Umsetzung stellt eine bisher noch nicht dagewesene gestalterische Herangehensweise im Kieler-Woche-Design da“, so die Jury.
Für mich als Kieler Deern und Kieler-Woche-Fan war es in jedem Fall eine spannende Erfahrung, mal so nah am Designwettbewerb zu sein. Ich wusste zum Beispiel gar nicht, dass dieser weltweit derart bekannt ist. Auch, dass gezielt renommierte Grafiker ausgewählt werden, war mir nicht bewusst. Eines weiß ich aber mit Sicherheit: Ob Juryabstimmung oder öffentliche Wahl für alle Kieler – das Ergebnis wird nie alle zufrieden stellen und jeden Geschmack treffen. Ich finde, wir sollten mit dem vielen Gemecker aufhören. Denn die Vorfreude auf unser schönes Sommer-Segel-Fest kann doch eigentlich nichts trüben, oder?
Welches Plakat gefällt dir am besten?
Mir gefällt das Gewinner-Plakat richtig gut. Die Vorfreude auf die nächste KiWo ist groß. Ich finde auch, das Gemecker sollte aufhören. Die Geschmäcker sind halt verschieden.
Liebe Grüße Sabine
Ach, wenn die Flaggen erst wieder in ganz Kiel wehen! Ich finde das neue Plakat sehr gelungen!